Ein subjektiver Rückblick

So einzigartig unsere Borussia für uns als Fangemeinde auch immer wieder ist, so einzigartig
ist auch die gerade abgeschlossene Saison 2019/2020 zu bewerten. Wobei bei der hier
benutzten Wortwahl die ganz große Hoffnung mitschwingt, dass derartige Spieltage, wie wir
sie in den letzten Wochen erleben durften, sich eben nicht langfristig etablieren und
wahrhaftig einzigartig bleiben.

Warum überhaupt?

Na klar, wir hätten ganz bestimmt den dritten Einzug unserer glorreichen Borussia in die
Königsklasse äußerst gebührend gefeiert. Und wir hätten diese Feierlichkeiten sogar noch
mit unseren 5-jährigen Geburtstag und mittlerweile über 100 (!) Mitgliedern garnieren
können. Und wir hätten sehr wahrscheinlich einen völlig positiv durchgeknallten Borussia-
Park erleben können, der mal wieder offenbart hätte, dass wir es hier mit dem geilsten Club
der Welt zu tun haben.

Das einzige was stört ist der Konjunktiv.

Aber nun mal schön der Reihe nach. Als am 11.03.2020 das erste Corona-Geisterspiel in der
Fußballbundesliga im Borussia-Park angepfiffen wurde, war der gemeine Fußballfan
merkwürdig berührt. Das hatte doch mit Fußball, so wie wir ihn in den letzten Jahren und
Jahrzenten gewohnt waren, sehr wenig zu tun.

Fußball ohne Fans ist Nichts.

Der Fußballfan war hin und her gerissen. Wo ist der Spaßfaktor, wo sind die Emotionen, wo
sind die Gesänge von den Rängen, wo ist der 12. Mann, wenn er denn mal gebraucht wird?
Doch tatsächlich, es wurde nach wie vor Fußball gespielt. Es fühlte und hörte sich alles sogar
viel leiser als Kreisliga auf dem Beutlingsplatz an, aber: Es wurde Fußball gespielt. Man
könnte vielleicht sagen, es fehlte die vierte Dimension. Auch die Verantwortlichen auf dem
Platz sind ja bekanntlich nur Menschen und bekommen ihr Gehalt in erster Linie für das
Fußballspielen, was die meisten von ihnen ziemlich gut beherrschen. Aber die Neymars
dieser (Fußball-) Welt hatten jetzt plötzlich eine Dimension weniger. Ich verweise kurz mal
auf die Überschrift dieser Ausführung und behaupte in meiner subjektiven Wahrnehmung,
dass diese Sorte Fußballer deutlich weniger in Erscheinung getreten sind. Wenn einer liegen
geblieben ist, dann war da was.

Und es wurde weniger gemeckert auf dem Platz. Vielleicht hat sich die Hellhörigkeit der
Stadien ohne Geräuschkulisse ja irgendwo in den Hinterköpfen der Protagonisten
eingebrannt. Sicher gab es auch die eine oder andere Entscheidung des Schiedsrichters, die
eine kurzfristige Rudelbildung auf dem Platz ausgelöst hat. Wobei die Errungenschaft des
Videoreferees diese Verhaltensweisen sicher auch irgendwie unterstützt.

Ich habe noch nie gesehen, dass eine Entscheidung des Schiedsrichters durch
Rudelbildungen revidiert wurde. Das, so sollte man meinen, haben auch schon die Spieler
auf dem Platz mitbekommen. Heute wird dann eben der Schiedsrichter aus dem Keller in
Köln eingefordert, dessen Entscheidung dann jedoch mittlerweile in den allermeisten Fällen
sehr schnell akzeptiert wird. Trotzdem soll es immer noch den ein oder anderen geben, bei
dem im Zuge der ein oder anderen Entscheidung die Pferde durchgehen. Das ist auch gut so.
Dafür gibt es ja auch noch den eigentlichen Chef auf dem Platz, den Schiedsrichter.
Nachfragen bei Max Eberl sind erlaubt.

A propos Max Eberl. Wenn man die Entwicklung der Borussia aus Mönchengladbach in den
letzten 10 Jahren Revue passieren lässt, kommt man einfach nicht an diesem Mann vorbei.
Ist er tatsächlich Mr. Borussia oder ist er einfach nur ein guter Manager, der seinen Job
professionell umsetzt? Ich denke so eindimensional kann man diese Frage gar nicht
beantworten.

Entscheidend ist auf´m Platz. Und da zählen bekanntlich die Tore. Nix anderes. Und das war
sicherlich noch nie die Stärke eines Max Eberl. Da muss also noch irgendetwas anderes sein.

Als die Fohlenelf in den 70er Jahren ihre größten Erfolge gefeiert haben, war das damals
unmittelbar mit den Geschicken eines Dreigestirns verbunden. Die haben alle keine Tore
geschossen. Der damalige Präsident Gerhard Beyer holte sein Skatkumpel Helmut Grashoff
in den Vorstand. Zusammen mit den damaligen Mannschaftsarzt Alfred Gerhards prägten
diese drei Persönlichkeiten die erfolgreiche Ära über 20 Jahre. Das Business Fußball hat sich
mittlerweile zwar rasant weiterentwickelt, dennoch erlaube ich mir, hier Parallelen zu
ziehen. Das Zauberwort heißt Kontinuität, verbunden mit professionellem Management,
Vertrauen und sicher auch eine ganze Menge Fußballsachverstand und Menschenkenntnis.

Nachdem in den frühen 90er Jahren die Vereinsführung in andere Hände gelegt wurde,
mutierte die Borussia in einem schleichenden Prozess immer mehr zu einem ganz normalen
Bundesligaverein. Das wurde sowohl in der Besetzung der Vereinsführung (4 Präsidenten
zwischen 1992 und 2004) als auch in der sportlichen Leitung (21 Trainer zwischen 1987 und
2011) deutlich. Im Jahr 1995 wurde zwar noch mit Bernd Krauss das bis dato letzte Blech
geholt, aber irgendwann war der Fohlenstall komplett leer. Stattdessen versuchte man mit
altgedienten Persönlichkeiten auf der Spieler- (Giovane Élber) bzw. Trainerseite (Dick
Advocaat) zu punkten. Wie wir alle wissen, ging dieses Konzept gehörig in die Hose, gipfelte
sogar in zwei Bundesligaabstiege in den Jahren 1999 und 2007, die zum Glück jeweils relativ
schnell repariert werden konnten.

Interessanterweise hat Max Eberl nach dem sofortigen Wiederaufstieg am 18. Oktober 2008
seinen Job als Sportdirektor angetreten. Dümpelte die Borussia in den ersten 3 Jahren seiner
Tätigkeit noch in der unteren Tabellenhälfte herum, fällte er im Februar 2011 seine erste
große, äußerst wichtige Entscheidung. Borussia war am 22. Spieltag mit dem Trainer Michael
Frontzeck mit insgesamt 16 Punkten und einem Rückstand von 7 Punkten auf den
Relegationsrang auf den 18. Tabellenrang abgerutscht.

Da zog der Manager den kauzigen Lucien Favre aus dem Hut, der nach seinem unrühmlichen
Abgang bei Hertha in die Schweiz abgetaucht war. Eine wahrhaftig riskante Entscheidung,
dessen Ausmaß zu diesem Zeitpunkt noch keiner erahnen konnte.

An dieser Stelle noch eine Empfehlung für ein spontanes Gänsehauterlebnis auf YouTube
(funktioniert immer): https://www.youtube.com/watch?v=-9lUrapugxo

Außerdem musste die komplette Vereinsführung nach der erfolgreichen Rettung 2011 noch
eine weitere große Bewährungsprobe überstehen. Eine „Initiative Borussia“ wollte mit
Stefan Effenberg und Horst Köppel an der Spitze angeblich verkrustete Vereinsstrukturen
auflösen, und versprachen der Borussengemeinde eine bessere Zukunft. Die Abstimmung
auf der Jahreshauptversammlung im Jahr 2011 hat Herr Effenberg schon gar nicht mehr
mitbekommen. Der Gegenwind, der von den fast 5000 anwesenden Mitgliedern aufkam,
wurde zum Orkan und er verließ fluchtartig das Stadion. Nicht einmal 10 % der Stimmen
konnte die Initiative für sich verbuchen.

Es folgten Jahre der Konsolidierung, wobei in dem schnelllebigen Fußballgeschäft immer
wieder kurzfristige, ganz wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen. Und hier
kommt jetzt die komplette Vereinsführung mit ins Spiel. Der in der freien Wirtschaft überaus
erfolgreiche Herr Königs gab der sportlichen Führung um Max Eberl einen
Vertrauensvorschuss. Und dieser hatte sich mittlerweile ein internes und externes Netzwerk
aufgebaut und landete damit auf den Transfermarkt in schöner Regelmäßigkeit immer
wieder eine sehr hohe Trefferquote. Stranzl, Dante, Arango, Reus, Xhaka, Stindl, Sommer
oder Ginter dürfen hier beispielhaft genannt werden. Die Entwicklung der aktuellen Top-
Einkäufe von Plea, Zakaria, Thuram oder Bensebaini werden wir hoffentlich in der
kommenden Spielzeit noch weiter bestaunen dürfen. Natürlich waren bei den Transfers auch
mal ein paar Spieler dabei, die gerade nicht in das aktuelle Mannschafsgefüge hineingepasst
haben. Hier können de Jong, Kolodziejczak (Kolo), Grifo oder eine eigentlich überflüssige
Rückholaktion von Bobadilla genannt werden. Doch selbst bei den meisten Flops ist es sogar
gelungen, durch einen Wiederverkauf das Minus überschaubar zu gestalten.

Aber auch bei den Verpflichtungen der äußerst wichtigen Personalie Übungsleiter hat Max
Eberl nicht immer den einfachsten Weg gewählt. Auch hier hat er immer betont, den Verein
in seiner Entwicklung als Ganzes im Visier zu haben. Ohne jetzt auf seine Historie beim
Thema Trainerwechsel im Detail einzugehen, hat er durch die Verpflichtung von Marco Rose
bewiesen, dass er sich auf sein Bauchgefühl verlassen kann. Es passt einfach.

Dabei war es sicher nicht einfach, Dieter Hecking zu erklären, warum er sich gerade in der
Phase für eine Veränderung auf dieser Position entschieden hat. Max Eberl verliert dabei
nicht sein Gesicht. Er erreicht sogar, dass Herr Hecking nicht sofort seine Koffer packt,
sondern seinen Job bis zum Saisonende weiter ausüben will. Man braucht nicht lange
suchen: Es gab schon deutlich unprofessionellere Trainerwechsel in der Bundesliga.

Kurzum: Max Eberl ist für unsere Borussia ein absoluter Glücksfall. Die Vereinsführung ist gut
beraten, mit diesem Juwel sorgsam umzugehen. Aber, und das muss ich in meiner
subjektiven Wahrnehmung immer wieder betonen, es funktioniert eigentlich nur im
Kollektiv. Die Aufgaben an den wichtigsten Stellschrauben im Verein sind gut verteilt. Die
Verantwortlichen haben einfach verstanden, dass selbst im großen Business Fußball die
Entscheider zusammenarbeiten müssen, das gilt sowohl für die Funktionäre als auch für die
kickende Zunft.

Damit sind wir auch schon wieder in der Gegenwart angekommen. Leider ist davon
auszugehen, dass der Saisonbeginn immer noch von der Corona-Pandemie überschattet
wird. Wann wir wieder ein Bundesligaspiel unserer Borussia vor Ort erleben dürfen, wage ich
in dieser schnelllebigen Zeit nicht vorherzusagen. Sobald wir von der Politik im wahrsten
Sinne des Wortes wieder grünes Licht erhalten und wir wieder Ausfahrten anbieten dürfen,
werden wir als BMG uns bestimmt etwas einfallen lassen. Außerdem steht ja auch noch mal
eine Geburtstagsfeier zum 5-jährigen Bestehen unseres Fanclubs an. Jetzt zeigt erstmal
Flagge und holt euch den für euch reservierten unzähmbaren Mundschutz bei Susanne und
Ansgar ab. Und dann gibt’s ja auch schon bald wieder die Spiele in der Königsklasse zu
bestaunen. Wer weiß, wo uns das alles noch hinführt?

Am Anfang eines jeden Fußballspiels steht es 0:0. Und keiner weiß wie´s ausgeht.

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